MAM: Zeigen alle Kinder ein nahrungsunabhängiges Saugbedürfnis?
Cristina Torres: Ja. Das Bedürfnis nach nahrungsunabhängigem Saugen ist allen Kindern gemeinsam, es entwickelt sich schon vor der Geburt und beginnt bereits als Embryo im Mutterleib. Wie es sich nach der Geburt des Kindes äußert, ist jedoch sehr unterschiedlich. Jedes Baby zeigt in dieser Hinsicht ein anderes Verhalten, sowohl in Bezug auf Intensität und Dauer als auch darauf, wie lange die Gewohnheit anhält.
MAM: Wie lässt sich das nahrungsunabhängige Saugbedürfnis am besten befriedigen?
Cristina Torres: Am besten übt man es mit einem Schnuller. Dies hilft, bei Neugeborenen im Krankenhaus Stress und Schmerzen zu reduzieren, und fördert die Gewichtszunahme bei Frühgeborenen sowie die gastrointestinale Entwicklung und das Wachstum bei kleineren, unreiferen Säuglingen. Zudem ermöglicht es einen schnelleren und reibungsloseren Übergang von der Sondenernährung zur oralen Vollernährung. Letzteres kann das Ergebnis einer Verbesserung des Verhaltensstatus sein.
MAM: Wie verhält es sich mit Finger- und Daumenlutschen?
Cristina Torres: Das ist etwas, was alle Kinder tun, und ist ein gutes Argument für die Verwendung eines hochwertigen Schnullers. Es ist weithin anerkannt, dass bei langfristigem Daumen- oder Fingerlutschen ein Risiko von Zahnfehlstellungen besteht. Im Gegensatz zum Sauger eines hochwertigen Schnullers kann die Form und Festigkeit des Daumens eine erhebliche Kraft auf den Gaumen eines Kindes ausüben. Dies hat zur Folge, dass die oberen Frontzähne nach außen in Richtung Lippen und die unteren Frontzähne nach innen in Richtung Zunge gedrückt werden, was zu einem verstärkten Überbiss oder einem vorderen offenen Biss führen kann. Ein weiterer großer Vorteil des Schnullers im Vergleich zum Daumen ist, dass es sehr viel einfacher ist, einem Kind den Schnuller abzugewöhnen.
MAM: Ab welchem Alter nimmt das nahrungsunabhängige Saugbedürfnis ab und woran können Eltern diese Entwicklung erkennen?
Cristina Torres: Das nahrungsunabhängige Saugbedürfnis nimmt ab dem ersten Lebensjahr kontinuierlich ab, sobald das Kind anfängt zu sprechen, zu laufen und mehr feste Nahrung zu essen. Aber auch hier gibt es keine feste Regel. Der Verlauf hängt von der physiologischen und emotionalen Entwicklung des Kindes ab. Die Experten Bishara et al. erforschten das Verhalten in einer Kohorte von Kindern und beobachteten einen Rückgang des Schnullergebrauchs von 40% im ersten Lebensjahr auf weniger als 1% im achten Lebensjahr. Sie stellten außerdem fest, dass das Saugen an den Fingern im gleichen Zeitraum weniger stark abnahm, nämlich von 31% auf 4%, und dass dies ab dem Alter von vier Jahren die bevorzugte Form des nahrungsunabhängigen Saugens war. Da Daumenlutschen ein erhöhtes Risiko für eine gesunde Zahn- und Kieferentwicklung darstellt, sollten Eltern hierauf besonders achten.
MAM: Wann und wie sollten Eltern ihre Kinder den Schnuller abgewöhnen?
Cristina Torres: Die meisten Kinder legen ihre Sauggewohnheiten in ihrem eigenen Tempo ab, andere benötigen dabei die Hilfe ihrer Eltern und eines Kinderzahnarztes. Im Allgemeinen ist es am besten, dem Kind den Schnuller langsam und allmählich abzugewöhnen. Denken Sie daran, dass Kinder eine große Affinität zu dieser Form der sofortigen Beruhigung aufbauen. Besonders wichtig ist es auch, konsequent zu sein, sobald man mit der Entwöhnung begonnen hat. Seien Sie vor allem geduldig und unterstützend. Sie können spüren, wann Ihr Kind bereit ist, mit dem nahrungsunabhängigen Saugen aufzuhören. Seien Sie also aufmerksam, damit Sie wissen, wann es so weit ist. Geben Sie Ihrem Kind liebevolle Unterstützung für die kurze Zeit, die es braucht, um die Angewohnheit zu überwinden.