Bei Säugetieren hängt die Überlebenschance einer Spezies vor allem vom Verhalten der Eltern ab. Denn sie sind es, die sich in den ersten Monaten der Exogestation um das Neugeborene kümmern, zumeist ist es das Muttertier.
Das Hormon Oxytocin triggert den mütterlichen Fürsorgeinstinkt auf emotionaler Ebene, mit dem eine ganze Reihe mütterlicher Verhaltensweisen einhergehen, welche sowohl die Fortpflanzungsfunktion als auch die anfängliche Fürsorge durch die Mutter möglich machen1.
Aber wovon hängt die mütterliche Fürsorge eigentlich ab?
Die Biologie der Säugetiere spielt dabei sicher eine Rolle, aber nicht die einzige.
Die Mutter entscheidet sich auch ganz bewusst für bestimmte Verhaltensweisen, die sie in ihrer Kultur selbst von klein auf geprägt haben und in ihrem jeweiligen sozialen, kulturellen und geografischen Kontext üblich sind.
In den vergangenen Jahren haben insbesondere Medien und wissenschaftliche Informationen über die Vorteile des Stillens eine Kultur geprägt, in der das Stillen für alle Mütter als die einfachste und naheliegendste Option erachtet wird2.
Wenn Mutter und Kind im Allgemeinen gesund sind, ist es zweifelsohne die beste Lösung, das Kind voll zu stillen: Denn die Muttermilch ist speziell auf die Bedürfnisse von Neugeborenen abgestimmt. Sie fördert unter anderem die Entwicklung des Verdauungstraktes beim Baby und unterstützt eine enge Bindung zwischen Mutter und Baby durch die körperliche Nähe beim Stillen. Bei der Mutter fördert das Stillen eine schnelle Rückbildung der Gebärmutter, es ermöglicht einen ersten intimen Kontakt zwischen Mutter und Baby und senkt das Risiko für Brustkrebs und Erkrankungen des Herzkreislaufsystems. Aber die Zeiten haben sich geändert, und Frauen sind nicht immer in der Lage, ihr Baby zu stillen, oder wollen dies auch nicht.
Stillen ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, ein neugeborenes Baby zu ernähren. Die Entscheidung für eine alternative Ernährungsform (etwa eine Kombination aus Muttermilch und angerührter Milch oder aber nur angerührte Milch) hat aber zur Folge, dass sich junge Mütter Kritik ausgesetzt sehen und dafür rechtfertigen müssen.
Wie können wir eine Kultur fördern, in der es jungen Müttern nicht so ergeht und sie nicht für diese Entscheidung verurteilt werden?
Zunächst einmal können wir uns klar machen, dass jede Mutter und ihr Baby einzigartig und wertvoll sind, und zwar ausnahmslos.
Ein gängiges Stereotyp einer „guten Mutter“ sieht in etwa so aus: Sie umarmt ihr Baby sofort, ohne zu zögern, stellt das Stillen nicht infrage und ist über einen längeren Zeitraum stets glücklich und rundum erfüllt vom Mutterdasein. Sie lebt harmonisch mit ihrem Partner, beide sind voller Begeisterung für ihr Neugeborenes.
Und sie werden am besten glücklich bis ans Ende ihres Lebens, ganz wie im Märchen. Ich möchte nicht respektlos sein oder einen so wichtigen Moment im Leben einer Mutter herunterspielen, aber die Realität einer Frau hat oft wenig mit der rosaroten Welt des stets glücklichen Mutterdaseins zu tun.